Junge Ahnendetektive
Das Interesse für die eigene Familiengeschichte erwacht oft erst im etwas fortgeschrittenen Alter. Eingespannt durch Beruf und Familie vergisst man schnell, sich mit Vergangenem zu befassen und sieht vielleicht auch die Notwendigkeit gar nicht. Dabei kann man gemeinsame Familienaktivitäten nutzen, um bereits Kindern die eigene Familiengeschichte näher zu bringen und diese zu erforschen.
Viele Genealogen ärgern sich, dass sie nicht schon früher damit begonnen haben, sich mit der eigenen Familiengeschichte zu befassen, da so vieles mit den Jahren verloren gegangen ist. Häufig fängt man erst dann an, sich für die eigene Familie zu interessieren, wenn viele ältere Verwandte, die noch entsprechende Geschichten hätten erzählen können, bereits verstorben sind. Ein guter Grund, schon Kinder dafür zu interessieren. Vergangenes gerät dann nicht so schnell in Vergessenheit. Und die heutigen Enkel können, was sie von ihren Großeltern erfahren, später an ihre Nachfahren weitergeben. Kinder bringen meist bereits eine entscheidende Eigenschaft mit, um ein Ahnendetektiv zu werden: die Neugierde.
Der Weg zum Ahnendetektiv
Vieles, das Kinder und Jugendliche mit ihrer Familiengeschichte in Berührung bringt, kann man auch spielerisch in gemütliche Familientage integrieren und gemeinsam mit den Großeltern oder auch
Urgroßeltern einen Ausflug in die Vergangenheit machen. Fotos beispielsweise bieten eine hervorragende Möglichkeit, alte Geschichten zu erzählen. Bei dieser Gelegenheit kann man auch gleich
überprüfen, ob für die Nachwelt erkennbar ist, welche Personen auf den Fotos zu sehen sind. Genealogen wissen, wie wichtig es ist, möglichst alle Informationen zu notieren – und auch dies kann
und sollte man bereits Kindern nahelegen, damit für die Zukunft alles schriftlich festgehalten ist. Dazu kann man ihnen am besten einen Personenbogen an die Hand geben, damit haben sie die
Möglichkeit, sich immer noch mal wieder alles anzusehen und nicht durcheinander zu kommen. Das Kind wird zum Forscher, Detektiv oder auch Reporter und kann nach und nach die Verwandtschaft zu
deren eigenen Daten interviewen und diese notieren. Auch können so die eventuell noch vorhandenen Lücken im Personenbogen zu anderen Familienangehörigen vielleicht noch weiter gefüllt werden.
Damit ist der Beginn zur Familienforschung eigentlich schon gemacht.
Gleichzeitig bietet die Familienforschung eine Gelegenheit, die gesamte, auch weitläufigere Familie zu verschiedenen Ereignissen in ihrem Leben zu interviewen. Dabei orientiert sich der Nachwuchs
am besten an einem vorbereiteten Fragebogen, um nicht den Faden zu verlieren. Und wenn alle dieselben Fragen beantworten, bieten sich anschließend interessante Vergleiche zwischen den Antworten
der verschiedenen Generationen.
Am schönsten wirken die gesammelten Daten natürlich in einer Ahnentafel, wobei das Erreichen der Urgroßelterngeneration wohl für die meisten Kinder machbar sein dürfte. Durch die Darstellung in
einer Ahnentafel bekommen die Nachwuchsgenealogen auch eine visuelle Vorstellung der eigenen Vorfahren. Und eine selbst gebastelte Ahnentafel ist wohl auch ein schönes Geschenk zum Geburtstag
oder zu Weihnachten für Eltern oder Großeltern. Es bietet sich hierbei an, zunächst eine Vorlage auszufüllen, bevor man mit der eigentlichen Bastelarbeit beginnt.
Eine sehr gute Möglichkeit, den jungen Forschern die eigene Familiengeschichte chronologisch darzustellen, ist eine Zeitleiste. Auch diese kann man nach den eigenen Vorstellungen selber basteln,
es können dort geschichtliche und private Ereignisse zusammengebracht werden: beispielsweise die Weltkriege, der Mauerbau und -fall oder auch wann das erste Mal ein Fernseh- oder Radioprogramm
ausgestrahlt wurde. Solche oder ähnliche Geschehnisse in Verbindung mit den persönlichen Daten oder Ereignissen der eigenen Familie zeigen deutlicher vor Augen, wie z. B. die Großeltern gelebt
haben.
Wenn die Vorfahren nicht im gleichen Ort geboren sind, bietet es sich an, ihren Weg anhand einer Land- oder Weltkarte nachzuverfolgen, im Internet nach diesen Orten zu suchen und sich gemeinsam Bilder von dort anzusehen oder, wenn möglich, einen Familienausflug dorthin zu machen. Vielleicht existiert ja das Haus der Vorfahren sogar noch. Mithilfe alter Bilder des Ortes (z. B. historischer Ansichtskarten, die man im Internet findet, vgl. CG 4/2016) lassen sich Damals und Heute vergleichen, indem man aktuelle Fotos von haargenau den auf den alten Bildern zu sehenden Objekten macht.
Sollten noch Briefe oder Rezepte aus früheren Zeiten in der Familie vorhanden sein, sind diese vielleicht noch in einer Schrift geschrieben, die für Kinder neu und unlesbar ist. Auch hier kann
man sich zusammensetzen und gemeinsam versuchen, die alte Schrift, evtl. mithilfe von verschiedenen Schriftbeispielen, zu entziffern oder den eigenen Namen in dieser Schrift zu schreiben. Alte
Briefe dürften für die meisten jungen Forscher spannend sein und geben auch wieder einen Einblick in die Familiengeschichte. Bei Rezepten von früher kann man versuchen, diese zu „enträtseln“ und
das Gelesene dann nachzukochen oder zu backen. So kann man dann auch gleich noch erfahren, wie das Lieblingsessen der Großeltern oder auch Urgroßeltern schmeckte.
Nutzung digitaler Medien
Die nachfolgende Generation wächst bereits im jungen Alter mit dem Computer auf und dürfte es nicht uninteressant finden, das Herausgefundene in ein entsprechendes Genealogieprogramm einzugeben. Diese Arbeit am Computer ist wohl für die meisten Kinder und Jugendlichen ein großer Anreiz und bereitet ihnen sehr viel Spaß. Hier lassen sich dann auch unkompliziert die Daten weiterer Familienangehöriger wie Tante, Onkel, Cousins etc. festhalten.
Eine Zeitleiste kann man auch mit dem Computer erstellen, mit einem Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationsprogramm oder mithilfe der Website Twile: Dort lädt man nach einer Registrierung eine GEDCOM-Datei hoch oder gibt manuell Daten ein. Der Zeitleiste, die Twile daraus erstellt, kann man auch entsprechende Bilder hinzufügen. Twile ist kostenlos, derzeit aber leider nur in englischer Sprache verfügbar.
Für Jugendliche spielen die sozialen Medien eine sehr große Rolle und hier sollte man die jungen Leute auch „abholen“. Es gibt diverse Möglichkeiten, über soziale Medien mit anderen Genealogen in Kontakt zu kommen. So gibt es beispielsweise bei Facebook die verschiedensten Gruppen, in denen man sich Tipps von anderen Forschern holen und sich mit diesen austauschen kann, bei Instagram können Bild- und Videonachrichten erstellt und zu entsprechenden Hashtags im Netzwerk verbreitet werden und auch bei Twitter finden sich viele Ahnenforscher und auch Vereine, die dort Kurznachrichten teilen. Dort gibt es unter #genchatDE in regelmäßigen Abständen einen Chat zu genealogischen Themen. Bei Pinterest, einer Art digitalem Sammelalbum, kann man sich die verschiedensten Inspirationen zur Darstellung seiner Forschung holen.
Ebenfalls eine für junge Leute interessante Möglichkeit, sich mit dem Thema Ahnenforschung zu beschäftigen, ist der Podcast, also Audiodateien, die über das Internet abonnierbar sind. Näheres hierzu findet sich u. a. im Magazin FAMILIENFORSCHUNG, Heft 2015/2016 (Seite 85). Als deutschsprachiges Beispiel sei hier „der Genealoge“ genannt.
Bei allen digitalen Möglichkeiten dürfen natürlich Museumsbesuche nicht fehlen, dies ist wohl unabdingbar, um Kindern und auch Jugendlichen die Vergangenheit näher zu bringen. Ab einer gewissen
Reife, die nicht zwingend vom Alter abhängig ist, kann man diese bereits in ein Archiv mitnehmen und sie mit der Arbeit dort vertraut machen.
Egal, wie man an die eigene Geschichte herangeht, beachtet werden sollte dabei, dass Familie sich verändert hat. Die modernen Formen der Familie dürfen und sollten beim Erforschen zugelassen
werden. Bei Kindern sollte es zunächst darum gehen, dass sie ihr familiäres Umfeld erkunden, das muss nicht immer auch die biologische Familie sein. Dies ist zwar so in der Genealogie nicht
üblich, aber der Spaß an der Sache muss an erster Stelle stehen. Alles Weitere wird sich zu einem späteren Zeitpunkt von selbst ergeben, wenn eines Tages aus dem kleinen Ahnendetektiv ein
Genealoge werden sollte.
Es ist gar nicht so schwer, schon Kinder mit der eigenen Familiengeschichte in Berührung zu bringen, vieles ergibt sich schon daraus, dass man ein bisschen Zeit miteinander verbringt und anfängt, über die Vergangenheit zu sprechen. Und natürlich muss nicht alles innerhalb kürzester Zeit in Erfahrung gebracht werden. Auch hier gilt: Familienforschung endet eigentlich nie.
Tanja Bals
COMPUTERGENEALOGIE Heft 3/2017